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Kolleg Mittelalter und Frühe Neuzeit

Fragen an das Kolleg

Die Einteilung in die drei Großepochen Antike, Mittelalter und Neuzeit bildete sich im 14. und 15. Jahrhundert im Kreis italienischer Humanisten aus. Hinter der Denkfigur einer media aetas (auch medium aevum, media tempestas oder media antiquitas) stand ein spezifisches Geschichtskonzept, nämlich die Deutung komplexer (kultur-)historischer Prozesse als Muster von Blüte und Verfall. Die media aetas, die 'mittlere Zeit', galt den Humanisten als ein "Jahrtausend der Schatten". Zwischen dem Licht der Antike und der eigenen Gegenwart, der Renaissance - und damit der 'Wiedergeburt' der Antike -, ragte sie dunkel heraus. Hier hat auch die bis heute bekannte Vorstellung vom 'finsteren Mittelalter' ihren Ursprung. Hatte bereits Petrarca von einer 'mittleren Zeit' gesprochen, so waren es im 15. Jahrhundert vor allem die Florentiner Leonardo Bruni und Giovanni Andrea di Bussi, die dem Begriff medium aevum seine deutlich negative Ausprägung verliehen.

Der Mensch des Mittelalters wusste folglich gar nicht, dass er im 'Mittelalter' lebt. Vielmehr glaubte er, im sechsten Weltzeitalter und damit am Ende aller Zeiten zu leben. Das Modell der sechs Weltzeitalter geht auf Augustinus zurück. Nach dem fünften Weltzeitalter, das Augustinus mit der Geburt Christi ansetzt, beginnt für ihn selbst - und alle, die auf ihn folgen - das sechste und letzte Weltzeitalter; es endet mit dem Jüngsten Gericht.

Erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts wird der Begriff 'Mittelalter' - wie heute üblich - als wertneutrale Epochenbezeichnung verwendet.

Die Ansätze für den Beginn der Epoche schwanken je nach Fachwissenschaft zwischen dem 3. und 7. Jahrhundert. Als wichtigste Zeitmarken für den Beginn des Mittelalters wurden der Aufstieg des Christentums als Staatsreligion im römischen Reich (380), der Untergang des weströmischen Reiches (476) oder die Schließung der philosophischen Akademie in Athen sowie die Gründung des Klosters Montecassino durch Benedikt von Nursia (529) diskutiert.

Das Epochenende setzt man dementsprechend mit der Mitte des 15. und dem Beginn des 16. Jahrhunderts an: mit der Eroberung Konstantinopels durch die Türken und den Untergang des oströmisch-byzantinischen Reiches (1453), mit der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus (1492) oder mit dem Beginn der Reformation (1517).

Bei allen Überlegungen zum Epochenbeginn und -ende ist weniger von genau zeitlich fixierbaren Grenzen auszugehen, sondern vielmehr von breiten und fließenden Übergangszonen.

Die Grundlagen für das mittelalterliche Geldgeschäft wurden im 8. und beginnenden 9. Jahrhundert durch Pippin III. und Karl den Großen gelegt: Pippin stellte das Münzwesen unter staatliche Aufsicht. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Könige des Frankenreichs absolute Münzhoheit; es war ihnen vorbehalten, Münzen zu prägen und Münzstätten zu errichten. Doch bereits zur Zeit Ludwigs des Frommen (778-840) wurde diese Münzhoheit gebrochen, denn häufig erhielten Bistümer und Abteien mit dem Markt- und Zoll- auch das Münzrecht. Mit den Städtegründungen kamen neue Münzrechte hinzu.
Um dem Problem zu begegnen, dass infolge vieler Münzprägestätten verschiedene Münzen im Umlauf waren, deren Kurs häufig stark schwankte und die zudem nur selten den Rechnungswährungen in Geschäftsbüchern und Verträgen entsprachen, wurde das System vereinfacht: Wechsel und Giro entstanden. Unter 'Wechsel' versteht man einen Kredit durch die Gewährung eines Darlehens, das nicht dort zurückgezahlt werden muss, wo es aufgenommen wurde. Die Rückzahlung erfolgt also nicht an den Aussteller des Wechsels, sondern an denjenigen, dem dieser Wechsel rechtmäßig übertragen wurde. Ferner konnte der Wechsel beim ortsungebundenen Verkauf von Waren angewendet werden; Zahlungen sind damit durch Verrechnen geregelt. 'Giro' hingegen meint den in den Büchern und Registern vorgenommenen Übertrag vom Konto eines Kunden auf das eines anderen.

Ein Bankwesen wie wir es heute kennen – mit Einlagen, Giro und Wechsel – entwickelte sich freilich erst mit dem beginnenden 13. Jahrhundert. Die Bezeichnung 'Bank' ist darauf zurückzuführen, dass die Wechsler ihren Geschäften hinter einem Tisch auf einer Bank sitzend nachgingen. Neben Banken mit ihren Wechsel- und Girogeschäften, gab es berufsmäßige Geldverleiher, die ein Darlehen gegen die Verpfändung beweglicher Güter (Gold, Edelsteine, Getreide, Wolle etc.) gewährten. Hinzu traten Handelsgesellschaften, die sich entwickelten, um die Tätigkeiten von Kaufmann, Reeder und Bankier zu verbinden. Sie operierten vor allem mit Depositgeschäften sowie Darlehensgewährung gegen Zins. In Italien waren die Gesellschaften auch deswegen so bedeutsam, weil sie die Funktion als Steuereinnehmer der päpstlichen Kurie übernahmen.

Darlehen gegen Zins konnten ein lukratives Geschäft bedeuten, waren gleichwohl mit Risiken verbunden. An militärische und politische Erfolge der Souveräne geknüpft, die enorme Vorschusszahlungen der Banken erhielten, wurden die Finanziers bei einem Misserfolg in den Bankrott getrieben. Der Bankrott einiger Banken – etwa der Florentiner Bankhäuser Bardi und Peruzzi – ließ eine Umstrukturierung notwendig erscheinen: So bestand die berühmte Bank der Medici beispielsweise aus mehreren selbständigen Geschäftshäusern, die einzig durch Personalunion miteinander verbunden waren; die Gefahr, sich gegenseitig in den Ruin zu ziehen, war dadurch gebannt.

Als weitere Folge des Bankrotts privater Banken ist die seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vermehrt auftretende Einrichtung öffentlicher Banken zu nennen.

Vgl. G. P. Massetto: Art. "Bankwesen". In: LexMA 1. Sp. 1410-1414.

Die Hexenverfolgung war kein Phänomen des 'finsteren Mittelalters', sondern der Frühen Neuzeit.

Die neue Hexenlehre verbreitete sich um 1430 in gelehrtem Umfeld. Das gelehrte Konstrukt von Hexerei, das sich im Diskurs scholastischer Theologen entwickelte, wird heute meist mit dem sog. 'kumulativen Hexenbegriff' beschrieben. Dieser 'kumulative Hexenbegriff' beinhaltet neben dem traditionellen Element des Schadenzaubers auch Teufelpakt und -buhlschaft sowie Ritt und Sabbat. Es ist dies eine Vorstellung, die sich erst nach und nach durchsetzen konnte: War die Vorstellung, durch magische Praktiken schädigend wirken zu können, bereits seit antiker Zeit bekannt und im Volksglauben verankert, kamen nun spezifisch theologische Elemente hinzu. Magische Kräfte resultierten nicht mehr aus körpereigener Kraft, die entweder angeboren oder erworben worden sein konnte, sondern aus einem Pakt mit dem Teufel, welcher der 'Hexe' diese Fähigkeiten verlieh. Diese 'Hexen' bildeten ein Kollektiv: eine 'Hexengemeinschaft'. So bezeichnet der Sabbat die Vorstellung, dass sich diese 'Hexengemeinschaft' regelmäßig meist an abgelegenem Ort trifft, um orgiastische Feste zu veranstalten. Der Ritt (auf Tieren, Ofengabeln, Besen) ist die notwendig mit dem Sabbat verbundene Vorstellung, dass die 'Hexen' in irgendeiner Weise den abgelegenen Versammlungsort erreichen müssen. Freilich kann dieser Ritt auch als geistige Entrückung oder dämonischer Transport dargestellt werden. Insbesondere die Sabbatvorstellung beförderte die massenhafte Verfolgung vermeintlicher 'Hexen', musste doch jede 'Hexe' andere benennen können, die sie beim nächtlichen Tanz gesehen hatte.   

Neben der Ausbildung dieser neuen Hexenlehre, entstand mit dem weltlichen Inquisitionsprozess - endgültig verankert in der Peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. ("Constitutio Criminalis Carolina", 1532) - eine Prozessform, welche die Möglichkeit zur massenhaften Verfolgung in zweifacher Hinsicht erleicherte: Zum einen wurde die Einleitung eines Verfahrens dardurch begünstigt, dass die weltliche Obrigkeit bereits auf Denunziation und Verdacht hin eingreifen konnte. Zum anderen sah die "Carolina" ein neues Beweisrecht vor: Die Tat galt als erwiesen, wenn sich entweder zwei Zeugen fanden, oder aber der Beschuldigte ein Geständnis ablegte. Lagen genügend Indizien vor, konnte dabei auch die 'peinliche Befragung', die Folter, als Mittel der 'Wahrheitsfindung' eingesetzt und so ein Geständnis erzielt werden.

Große Verfolgungswellen lassen sich für das Deutsche Reich um 1590, 1630 sowie 1660 ausmachen. Damit sind das 16. und 17. Jahrhundert deutlich als Zeitraum für dieses zentrale gesellschaftliche Phänomen zu benennen. Freilich lassen sich neben den zeitlichen vor allem große regionale Unterschiede feststellen, so dass sich monokausale Erklärungsansätze für die Verfolgung von vornherein ausschließen. Regionale Differenzen zeigen sich auch in Bezug auf die soziale Herkunft oder die Geschlechtszugehörigkeit. Wenngleich Frauen insgesamt häufiger angeklagt wurden als Männer, so gibt es doch auch Regionen, in denen vermehrt Männer ins Visier der Gerichtsbarkeit gerieten.

 

Ein Krieg war nach mittelalterlicher Vorstellung ein gerechter Krieg, ein bellum iustum, wenn er den Kriegführenden dazu diente, sich selbst zu verteidigen oder aber etwas zurückzugewinnen, das ihnen zuvor geraubt worden war. Durch das Leben und Leiden Jesu galt das Heilige Land den Christen als ureigen. Und so rief Papst Urban II. 1095 zum Ersten Kreuzzug auf, nachdem das Heilige Land von muslimischen Seldschuken erobert worden war. Es galt, die Wirkstätten Christi zurückzuerobern und also Jerusalem zu befreien sowie Byzanz im Kampf gegen die 'Heiden' zu unterstützen. Die Kreuzzüge ins Heilige Land galten als bewaffnete Pilgerfahrten und waren für die Kreuzfahrer mit einem vollkommenen Ablass ihrer zeitlichen Sündenstrafen verbunden. 1099 eroberten die Kreuzfahrer Jerusalem und richteten ein Massaker an. In Folge dieses Ersten Kreuzzuges wurden vier Kreuzfahrerstaaten gegründet: das Königreich Jerusalem, das Fürstentum Antiochia und die Grafschaften Edessa und Tripolis.

Der Einfluss der Kreuzzüge formte ein neues Leitbild adeliger Männlichkeit: den christlichen Ritter (miles christianus). Eine weitere Folge war die Bildung von Ritterorden, die sich dem Schutz von Pilgern und der Bekämpfung der „Heiden“ verschrieben. 1120/29 wurde der Templerorden vom Papst bestätigt; damit wurde die Verbindung von Kampf und Ordensleben offiziell anerkannt. Nach dem Dritten Kreuzzug wurde auch Ägypten als Ziel avisiert. Es folgten Kreuzzüge im 14. und 15. Jahrhundert, die sich auf Ziele in Kleinasien und dem Balkan richteten. Doch auch für innereuropäische Ziele wurden Kreuzzüge ausgerufen, die sich u.a. gegen christliche Häretiker richteten, so gegen die Albigenser oder Hussiten.

Bereits im 12. Jahrhundert mehrten sich freilich kritische Stimmen, welche die Motivation der Kreuzfahrer weniger in frommen Beweggründen als vielmehr in Abenteuerlust und Besitzstreben sahen.

Die vierzigtägige Fastenzeit, die dem Osterfest vorausgeht, wird Quadragesima genannt. Die Christen sollen sich während dieser Zeit auf Beten, Fasten und Almosen geben besinnen. Die Dauer von 40 Tagen bezieht sich auf jene Zeit, die Jesus in der Wüste verbrachte, bevor er öffentlich wirkte und predigte (vgl. Mt 4,1-11). Biblischen Ursprungs ist auch die Vorstellung, dass das Fasten als Waffe gegen den Teufel dient (Mt 17,21 und Mk 9,29).

Im Mittelalter war die Fastenzeit mit dem Verzicht von Milchprodukten und Fleisch verbunden. Verzehrt wurden vor allem Mehlspeisen und Trockenfrüchte. Auch Fisch stand auf dem Speiseplan. Als 'Fleisch' galt freilich nur das Fleisch warmblütiger Tiere. Der Genuss von Fischen, Krebsen, Muscheln, Wasser- und Feldhühnern, Enten, Gänsen u.ä. war erlaubt.

Die Versuche, das Fastengebot zu umgehen, waren vielfältig. So wurden beispielsweise auch Bieber verzehrt, waren sie doch im Wasser beheimatet und galten daher nicht als 'Fleisch'. Wer es sich finanziell leisten konnte, griff auf prestigeträchtige Ersatzstoffe wie Mandeln oder Reis zurück. Fleischspeisen wurden imitiert und Wein verkocht.

Aus dem 17. Jahrhundert bekannt sind klösterliche Innovationen wie das Brauen von Starkbier oder die Zubereitung von Maultaschen. Während des Dreißigjährigen Krieges erhielten Mönche ein Stück Fleisch, auf das sie trotz Fastenzeit nicht verzichten wollten. Daher verbargen sie es mit Gemüse vermischt in einer Nudeltasche.

Ehescheidungen (lat. divortium) gab es natürlich auch im Mittelalter. Das frühmittelalterliche Eherecht stand in engem Zusammenhang mit der Munt. Die Frau wurde aus der Munt, der rechtlichen Vormundschaft des Vaters, in die Munt des Ehemannes übertragen. Im frühen Mittelalter war eine Scheidung dem entsprechend ausschließlich dem in der Gemeinschaft der Ehe dominierenden Mann durch Verstoßung der Ehefrau oder allenfalls in beidseitigem Einvernehmen möglich. Die Unfruchtbarkeit der Frau war der häufigste Scheidungsgrund während des gesamten Mittelalters.

Im Spätmittelalter erreichten viele Frauen die Trennung von Tisch und Bett (separatio quoad thorum et mensam) vor geistlichen Gerichten. Als Grund für die Klage wurde nicht selten die Misshandlung durch den Ehemann vorgebracht. Ein weiterer Grund für die Annullierung einer Ehe konnte außer Ehebruch auch die Impotenz des Mannes sein. Dieser Vorwurf wurde sehr ernst genommen und es lassen sich Belege dafür finden, dass in einigen Fällen mit Hilfe von Prostituierten die körperliche Fähigkeit zum Beischlaf seitens des Mannes nachgewiesen und der Impotenzvorwurf der Frau entkräftet werden sollte.

In Zürich ist für das 16. Jahrhundert der sogenannte „Ehelöffel“ in der Ratsstube bezeugt. Er wurde als letztes Mittel vor der Scheidung eingesetzt. Man sperrte die Ehepartner ein und stellte nur diesen einen „Ehelöffel“ für das Essen zur Verfügung. Was heute anekdotenhaft wirken mag, hatte freilich einen tiefen Sinn: die Eheleute sollten daran erinnert werden, dass sie als eine Art „Überlebensgemeinschaft“ aufeinander angewiesen waren.

„An die Scholle gebunden“ drückt die Bindung eines Bauern an ein bestimmtes Stück Land aus. Die Formulierung geht bereits auf die Spätantike zurück. Latifundienbesitzer ließen manchmal Sklaven frei und statteten diese mit Land aus. Sie waren von nun an „an die Scholle gebunden“ und hatten verschiedene Frondienste zu leisten.

Durch die Schollenpflichtigkeit versuchten die Grundherren im Mittelalter die Mobilität ihrer Bauern einzuschränken. Im Hochmittelalter wurde die Unfreiheit des frühen Mittelalters zunächst ein wenig gelockert. Die Verpflichtungen der Leibeigenen wurden auf die „Grundabgaben“ wie Kopfzins oder Bestkleid reduziert, ehe im späten Mittelalter gegen Ende des 14. Jahrhunderts wieder eine Verstärkung der persönlichen Bindung zwischen Leibherrn und Leibeigenen einsetzte. Gerade während der Zeit der Agrarkrise des 14. und 15. Jahrhunderts erhielten die Bauern einerseits zwar erbliche Rechte an Grund und Boden, durch die sie „an die Scholle gebunden“ wurden, mussten aber dafür in der Konsequenz auf das Recht des freien Abzugs verzichten.

Der weithin bekannte Ausspruch „Stadtluft macht frei“ lässt sich, wenn auch nicht wörtlich, auf das Mittelalter bzw. die mittelalterliche Rechtsgeschichte zurückführen.

Das menschliche Zusammenleben auf dem Land war seit der Merowingerzeit durch die Grundherrschaft geprägt. In der Person des Grundherrn war die Herrschaft über Land und Leute vereint. Die Untertanen lebten in einer steten Abhängigkeit von ihrem Grundherrn und waren ihm gegenüber zur Leistung diverser Abgaben und Dienste verpflichtet, während der Grundherr diesen „Schutz und Schirm“ bot.

Seit dem 11. Jahrhundert setzten über die bereits auf die Römerzeit zurückgehenden Städte wie Augsburg, Mainz oder Trier rund um Burgen und Klöster im Reich neue Städtegründungen ein, die attraktiv auf die in Grundherrschaft lebenden unfreien Menschen wirkten. Viele Leibeigene wanderten in die Städte ab, konnten sie dort nach „Jahr und Tag“ nicht mehr von den Grundherren zurückgefordert werden. Dies zeigt beispielsweise auch die Freiburger Gründungsurkunde aus dem Jahr 1120: wer aber über Jahr und Tag in der Stadt gewohnt hat, ohne dass irgendein Herr ihn als seinen Leibeigenen gefordert hat, der genießt von da an sicher und unangefochten die Freiheit. Die Zugezogenen genossen aber auch in der Stadt keine grenzenlose Freiheit, da sie beispielsweise Aufnahmegebühren, Grundzins etc. zu leisten hatten.

Jedoch machte die Stadtluft nicht allerorts frei. In manchen Städten war die Aufnahme Unfreier durch den Stadtherrn verboten. Zogen dennoch Leibeigene in der Hoffnung auf ein besseres Leben in solche Städte, blieb für diese ihr rechtlicher Status fortbestehen; lediglich der ihre Dienste in Anspruch nehmende Grundherr hatte gewechselt.

Die Formulierung „Stadtluft mach frei“ für diesen nachweisbaren mittelalterlichen Rechtsbrauch ist allerdings nicht zeitgenössisch, sondern stammt aus dem 18. Jahrhundert. Im Jahr 1759 findet sich erstmals die Formulierung „Luft macht leibeigen“, wobei „Luft“ als Element der Rechtsgeschichte hier den rechtlichen Status einer Person bestimmte.

Lit.:

Mitteis, Heinrich: Über den Rechtsgrund des Satzes „Stadtluft macht frei“. In: Festschrift für Edmund E. Stengel zum 70. Geburtstag am 24. Dezember 1949 dargebracht von Freunden, Fachgenossen und Schülern. Hrsg. v. Erika Kunz. Münster u.a. 1952. S. 342–358.

Schwarz, Jörg: Stadtluft macht frei. Leben in einer mittelalterlichen Stadt (Geschichte erzählt). Darmstadt 2008.

Brandschutzvorschriften sind seit dem Altertum in verschiedenen Formen bekannt; sie wurden besonders in dicht bebauten Großsiedlungen als Pflicht der ganzen Einwohnerschaft zur Abwehr gemeinsamer Gefahr verstanden. Die frühesten mittelalterlichen Vorschriften sind die des Langobardenkönigs Rothari aus dem Jahre 652. Anfang des 13. Jahrhunderts nennt der Sachsenspiegel Eikes von Repgow einige baurechtliche Vorschriften (Gebäudeabstände u.ä.), so beispielsweise im zweiten Buch des Landrechts, Artikel 51:

II.51 Bagovene unde sprachkammern unde swinkoben suln sten dri vuse von deme czune. Menlich sal ouch bewaren sinen oven unde sine muren, das di vunken nicht varen in eins andern mannes hof, im zu schaden.

("Backöfen und Aborte und Schweineställe sollen drei Fuß von dem Zaun entfernt stehen. Jeder soll ferner auf seinen Ofen und seine (Feuer-)Mauer achten, damit die Funken nicht in den Hof eines anderen fliegen, ihm zum Schaden.")

[Zit. nach der Wolfenbütteler Hs., 3. Viertel 14. Jahrhundert, Cod. Guelf. 3.1. Aug. 2º, fol 38r]

Die Statuten oder Willküren der Städte, etwa die Nürnberger Satzungsbücher vom Ende des 13. Jahrhunderts sowie das Baumeisterbuch des Endres Tucher 1464/75, hatten zunächst vornehmlich polizeilich Charakter (Verkehr, Feuer, Einsturz) und wurden dann um Ordnungen des Bauwesens ergänzt.

Auch die Universitäten des Spätmittelalters waren bemüht, Brandschutzregeln einzuhalten; dies galt insbesondere für den Bereich der Bibliothek, wie das Beispiel aus einem Regelwerk der Kölner Universität von 1489 zeigt:

Item rector sive librarius monebit familiam suam, ut in hyeme custodiat transeundo ad lectum vel alias pro lignis super librariam candela, quia ex incensione solaria superioris, ubi consuevit esse lectus ancille, immineret periculum maximum toti librarie.

[Zit. nach: Stohlmann, Jürgen: Insignis illic bibliotheca asservatur. Die Kölner Professoren und ihre Bibliothek in der Frühzeit der Universität. In: Die Kölner Universität im Mittelalter. Geistige Wurzeln und soziale Wirklichkeit. Hrsg. v. Albert Zimmermann. Berlin, New York: de Gruyter 1989 (= Miscellanea mediaevalia; 20). S. 464]

Organisiert wurde die Brandbekämpfung meist bürgerschaftlich, seltener berufsständisch oder militärisch. In Städten mit bürgerschaftlich organisierter Brandbekämpfung waren die Anschaffung und Instandhaltung von Feuerpatschen und/oder (ledernen) Wassereimern Pflicht des einzelnen Bürgers. Bei Leistung des Bürgereides musste oft das Gerät erworben oder sein Vorhandensein nachgewiesen werden. Zudem waren trag- oder fahrbare Spritzen häufig im Besitz von Zünften. Aufgeteilt waren die Einsätze nach den auch für andere Zwecke eingerichteten Nachbarschaften, Stadtvierteln, Bauernschaften u.ä. Die große Zahl der obrigkeitlichen Erinnerungen an die Erhaltungspflicht weist allerdings auf ein mancherorts gering entwickeltes Feuerschutzbewusstsein hin.

Vgl. G. Binding: Art. "Bauordnung (Baurecht)". In: LexMA 1. Sp. 1670f., sowie H.-K. Junk: Art. "Feuerwehr". In: LexMA 4. Sp. 422f.

Spionage, also die Informationsbeschaffung auf informellem Weg, um sich strategische oder taktische Vorteile in Politik Diplomatie und Krieg sichern zu können, gab es zu allen Zeiten; schon Moses lässt das Land Kanaan auskundschaften (Num 13,1). Auch das Mittelalter kam nicht ohne sog. geheimdienstliche Tätigkeiten aus. Wirft man einen Blick in das "Deutsche Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm", stößt man auf eine Reihe von Wörtern, die Spionagetätigkeiten im Mittelalter belegen: zum Beispiel die Verben spehen, erkunden, ûz spuren (Nebenform: ûz spüren), lûschen sowie die Nomina lûsche, spehe, spieher, verspeher, wartmann ("(aus)spähen", "Späher", "auskundschaften", "Kundschafter", "lauschen", "Lauscher", "Wächter"). Im Lateinischen werden die entsprechenden Tätigkeiten mit observare und explorare, speculari ("auskundschaften, erforschen, spähen"), oculis insidiari ("mit den Augen nachstellen") oder inquirere ("nachforschen, untersuchen") bezeichnet.

Zudem belegt die Existenz von sog. Geheimschriften, die der Chiffrierung militärischer und diplomatischer Geheimnisse dienten, geheimdienstliche Aktivitäten im Mittelalter. Dabei ist zu unterschieden zwischen methodischen als auch überlieferungsgeschichtlichen sowie nichtdiplomatischen und diplomatischen Geheimschriften. Die (Weiter-)Entwicklung derartiger Verschlüsselungstechniken war eine Gegenmaßnahme gegen Spionage.

Die Beschaffungsmethoden unterschieden sich zum Teil von heutigen Formen der Spionage; im Mittelalter war es üblich, Briefe abzufangen oder Boten gefangenzunehmen, um gegenüber dem Feind diplomatische, politische und taktische Überlegenheit erlangen zu können. Über 'informelle Mitarbeiter' der Fürsten an anderen Höfen oder Formen von Einschleusung ist nicht viel bekannt. Von dem Nürnberger Patrizier und Vordersten Losunger Niklas Muffel (1409/10-1469) vermutet man, dass er an den Markgrafen und späteren Kurfürsten Albrecht Achilles (1414-1486), der Nürnberg zuvor während des Süddeutschen Städtekrieges 1449/50 angegriffen hatte, Ratsgeheimnisse verraten hat, weshalb es die Stadt unter anderem auf Muffel abgesehen hatte.

Im Spätmittelalter kann durchaus schon von einem 'professionellen' Geheimdienstwesen gesprochen werden, dessen Spione Aktivitäten im In- und Ausland überwachten. Mit der Gründung des "Rats der Zehn" 1310 in Venedig wurde eine Behörde für innere Sicherheit in der Markusrepublik ins Leben gerufen. Der Historiker Sean P. Winchell untersuchte dies im Detail: "Dutzende Spezialisten arbeiteten dieser geheimnisumwitterten Institution zu, darunter Spione, Informanten, Archivare und Dechiffrierer, die abgefangene Briefe in- und ausländischer Verdächtiger entzifferten, aber auch professionelle Mörder, die auf Geheiß bis weit über die Grenzen Venedigs hinaus agierten." Unklar bleibt, wie man mit Spionen verfahren ist, die entlarvt wurden. Man nimmt an, dass es zum Beispiel keinen offiziellen Spionageschutz und auch keinerlei reglementierte Verhaltensweisen im Spionagewesen des Mittelalters gab. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass das Thema Spionage im Mittelalter bisher nicht systematisch untersucht wurde.

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