Intern
Kolleg Mittelalter und Frühe Neuzeit

Der Tod und die Künste

Ringvorlesung des Kollegs "Mittelalter und Frühe Neuzeit" im Sommersemester 2011

Die Künste haben sich immer wieder an Antworten versucht und Deutungen des Todes erporbt, die den Einzelnen mit teils tröstlichen, teils erschreckenden Visionen seines Endes konfrontierten; die Frage nach dem Tod zielt daher nicht nur in den Kernbereich der literarischen Anthropologie, sondern ist als solche von jeher ein Elementarthema aller Künste. Seit der europäischen Aufklärung im 17./18. Jahrhundert beobachten wir, wie mit zunehmender Säkularisierung besonders die Literatur angestammte Aufgaben und Funktionen der Theologie und des religiösen Erbauungsschrifttums übernimmt. Gleichzeitig und damit zusammenhängend entspricht der sozialen Verdrängung des Todes aus dem Alltags- und Familienleben in dafür zuständige Institutionen wie Klinik, Altersheim oder Hospiz eine dazu gegenläufige Entwicklung in den Künsten, die diese existentielle Grenzerfahrung in immer neuer Form, in allen Medien, auch und besonders den jeweils neuesten, und mit, wenn der Eindruck nicht täuscht, eher steigender als abnehmender Intensität, ja Radikalität, vergegenwärtigen. Und das in der westlichen Kultur vielfach unter Voraussetzung (oder besser Nicht-Ausschließung) der Annahme, dass der Tod kein Übergang in ein zweites, anderes Leben, sondern das Ende des Lebens sei. Es sind dieselben Affektdispositionen, denen der moderne wie der vormoderne Mensch durch Sterben und Tod ausgesetzt ist, daher gleichen sich, bei allen Variationen im Einzelnen, Erlösungshoffnungen oder Schreckvisionen, Unsterblichkeitskonzepte oder Erwartungen des Nichts, erhöhende oder erniedrigende Selbst-(und Fremd-)Konzepte angesichts des Todes durch die verschiedenen Epochen und Kulturen hindurch in augenfälliger Weise.

Michael Erler (Würzburg)
Tod als Teil des Lebens. Zur meditatio mortis bei Platon und den Epikureern
Dorothea Klein (Würzburg)
Erfahrungen mit der Sterblichkeit. Fallbeispiele aus der Literatur des hohen Mittelalters
Andreas Haug (Würzburg)
Sterben: Keine Kunst? Eine Bestattungsmusik von 1694, ein Todesdiskurs von 1983, ein Musiktheater von 2010
Friederike Felicitas Günther (Würzburg)
Barthold Heinrich Brockes' irdisches Vergnügen am Überleben
Irmela von der Lühe (Berlin)
"...daß man gestorben sein muß, um ganz ein Schaffender zu sein". Thomas Manns Künstlerfiguren
Fred Lönker (Freiburg)
"Der Tod ist groß. Wir sind die seinen". Tod und Sterben bei Rainer Maria Rilke
Michael Storch (Würzburg)
Zürauer Thanatologie. Kafka, die Tuberkulose und der Tod
Hans Ulrich Gumbrecht (Stanford)
Uber das "tragische Lebensgefühl" des frühen zwanzigsten Jahrhunderts und seine Nachgeschichte
Andreas Ebbinghaus (Würzburg)
Der tote Zarewitsch und das Sterben des Godunov in Chronistik, Drama und Oper
Jörg Robert (Tübingen)
Phonographie des Todes. Paul Celans Todesfuge und die Lyrik nach Auschwitz
Erich Garhammer (Würzburg)
Kann Kunst im Sterben trösten? Ein Grenzgang zwischen Literatur und Theologie
Wolfgang Riedel (Würzburg)
Den Tod vor Augen. Lyrische ars moriendi heute (Robert Gernhard, Heiner Müller
Tanja Michalsky (Berlin)
Das mittelalterliche Königsgrabmal und die Kunst der Machterhaltung
Stefan Kummer (Würzburg)
Der architektonische Umgang mit der Zerstörung Würzburgs